Rede zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Riedstädterinnen und Riedstädter,
wir sind zu der Überzeugung gelangt: Die Straßenbeiträge in Riedstadt müssen der Vergangenheit angehören!
Wir treffen diese Entscheidung nicht mit geschwollener Brust, sondern unter Abwägung aller Argumente für und Wider und unter Beachtung der besonderen Historie der Straßenbeiträge in unserer Stadt.
Die SPD-Fraktion hat in der vergangenen Legislaturperiode der Einführung der wiederkehrenden Straßenbeiträge zugestimmt. Der Schritt von den einmaligen zu den wiederkehrenden war damals ein richtiger Schritt und hat zu mehr Gerechtigkeit geführt.
Damals war laut dem Kommunalabgabengesetz strukturell defizitären Kommunen die Abschaffung nicht gestattet.
Gerne möchte ich an dieser Stelle auf den wertvollen Hinweis von Herrn Angelé zurückkommen, der im Hauptausschuss die Frage aufgeworfen hat: Wie sind wir eigentlich zu den Straßenbeiträgen gekommen? Die Hintergründe und Entstehungsgeschichte der Straßenbeiträge sind für unsere Entscheidungsfindung von bestimmender Wichtigkeit und sollten daher möchte ich diese aufgreifen.
Aus dem „sollen“ im Kommunalabgabengesetz ob Straßenbeiträge erhoben werden müssen, ist ein „können“ geworden. Mörfelden-Walldorf hat diese Beiträge, welche es erst auf Druck des RP 2017 eingeführt hatte, dann wieder 2018 abgeschafft.
Als die ersten Beitragsbescheide in Riedstadt bei den Bürgerinnen und Bürgern eintrafen, entstand Unruhe in der Bevölkerung. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die neu gegründete BfR bei der Kommunalwahl beachtliche 18% der Stimmen erhielt. Dieses Ergebnis sollte uns als Stadtverordnete zumindest als Hinweis dienen, dass ein Teil unserer Gesellschaft unzufrieden ist. Die Unruhe ist seitdem auch in der Stadtverordnetenversammlung spürbar.
Die SPD-Fraktion zeigte sich von Anfang an bereit, auf diese Unzufriedenheit einzugehen und den Dialog zu suchen. Wir haben einen Ausschuss ins Leben gerufen und das Thema intensiv diskutiert, um ein umfassendes Verständnis der Problematik zu entwickeln und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Schließlich entstand ein Kompromiss im wahrsten Sinne des Wortes: ein gemeinsamer Antrag von SPD, BfR und FW/FRB. In Anbetracht der finanziellen Situation der Stadt wollten wir die Last, die zuvor nur auf wenigen lastete, auf mehrere Schultern verteilen. Die Stadt übernimmt dabei mindestens die Hälfte der Kosten, während die Abstände zwischen den einzelnen Abrechnungsbezirken bestehen bleiben. Dies schien uns eine rechtssichere Lösung, denn wer würde sich ungerecht behandelt fühlen, wenn alle besser gestellt sind? Eine Klage in dieser Situation hätte schwer begründet werden können.
Dennoch wollten einige Beteiligte diesen Kompromiss nicht akzeptieren. Es folgte ein Widerspruch des Bürgermeisters aus formaljuristischen Gründen. Diese Entscheidung verhinderte auch die Möglichkeit eines Kompromisses in der anschließenden Mediation. Denn in der anschließenden Mediation waren alle bereit für eine Deckelung oder Erhöhung des Gemeindeanteils. Rechtliche Bedenken haben am Ende diese Ideen dann unmöglich gemacht, auch weil der BGM natürlich gezwungen war, bei der kleinsten rechtlichen Unsicherheit erneut Widerspruch einzulegen. Die Mediation ging daher ohne ein Ergebnis zu Ende. Auch weil wir einen Bürgermeister haben, der in dieser Frage nicht konsensfähig ist.
An dieser Stelle möchte ich einige Worte zum problematischen Verfahren der abschließenden Mediation verlieren: Die Tatsache, dass die diskutierten Punkte am Ende von einem der Beteiligten der Mediation zusammengefasst wurden, der Magistrat nicht eingebunden war und letztendlich nur Chaos vorherrschte, wirft zumindest Fragen auf. Ich möchte daran erinnern, dass bis zur letzten Sitzung dem Mediator nicht bewusst war, dass unser Hauptanliegen die Abschaffung der Beiträge ist. Entsprechend wurden auch die gemeinsamen Punkte auf diesem Niveau zusammengefasst, was zu weiteren Unklarheiten und Missverständnissen führte.
Die Entscheidung des VG Darmstadt vom 16. November 2022 stellte für uns den ausschlaggebenden Grund dar, unsere Haltung zu überdenken und letztendlich zu ändern. Dieser Beschluss führte dazu, dass der letzte Funke Vertrauen in die Straßenbeiträge endgültig erloschen ist.
Einige mögen uns vorwerfen, dass wir unsere Position geändert haben, und ich sage Ihnen: In der Tat, das haben wir. Wir sind lernfähig, und dies ist keineswegs ein Grund, sich zu schämen. Eine Entscheidung, die einst angemessen erschien, muss nicht zwangsläufig auch heute noch ihre Gültigkeit besitzen.
Bedenklich finde ich die Art und Weise, wie einige mit dem Beschluss des VG Darmstadt umgehen. Statt sich konstruktiv mit den Inhalten und Konsequenzen des Urteils auseinanderzusetzen, versuchen manche Personen, die Entscheidung durch Polemik oder Verharmlosung ad absurdum zu führen. Und zu sagen, dass immer geklagt werden könne und ein solches Ergebnis herauskommt, ist nicht mehr als ein Totschlagargument. Es zeugt von einer Unkenntnis der rechtlichen Grundlagen und einer Missachtung der Arbeit der Gerichte. Es ist wichtig, dass wir sachlich bleiben und uns bemühen, die Tragweite solcher Entscheidungen zu verstehen, anstatt sie leichtfertig abzutun. Etwas Demut wäre hier angebracht.
Der Antrag von CDU, Grünen und FW geht an der aktuellen Situation vorbei. Ihr Vorschlag steht für ein „Weiter so“ und plädiert für eine neue Satzung. Doch ein „Weiter so“ können und werden wir nicht unterstützen. Sollte unser Antrag abgelehnt werden, möchten wir klarstellen, dass wir auch ihren Antrag ablehnen werden. Es ist an der Zeit, echte Veränderungen herbeizuführen und nicht lediglich die bestehenden Strukturen aufrechtzuerhalten.
Ihre Argumentation, insbesondere die von CDU und Grünen, behandelt das KAG, als sei es unumstößlich und gottgegeben. Diese Haltung wurde auch im Hauptausschuss wiederholt vertreten. Es wird behauptet, dass die Dinge nun einmal so sind, wie sie sind, und man damit umgehen müsse.
Bei der CDU, die das „C“ im Namen trägt, kann ich diese Argumentation noch nachvollziehen. Aber auch Sie haben bereits gezeigt, dass Sie die politischen Zusammenhänge erkennen: Bisher waren wir uns immer einig, dass, wenn das Land die Beiträge abschafft und sie aus originären Mitteln finanziert, auch Sie bereit wären, diese abzuschaffen. In diesem Zusammenhang würde ich vorschlagen, einen Runden Tisch zu diesem Thema einzuberufen. Sprechen Sie doch einmal mit Ihrer örtlichen Abgeordneten, um weitere Perspektiven und Lösungen zu diskutieren und gemeinsam einen Weg in die richtige Richtung zu finden.
Selbst wenn wir erneut nicht zur Teilnahme eingeladen werden sollten, hätten wir damit kein Problem. Wichtig ist uns jedoch, dass Sie diesmal mit einem konkreten Ergebnis zurückkommen, das eine wirkliche Verbesserung der Situation für alle Betroffenen ermöglicht.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass der Hauptgrund für unsere schwierige Situation ein unzureichendes Landesgesetz darstellt. Das Land gibt den Kommunen nicht die erforderlichen Instrumente an die Hand, um vor Ort passgenaue Lösungen zu entwickeln. Das Gesetz ist für eine Flächenkommune wie Riedstadt ungeeignet und passt nicht zu unseren Strukturen.
Wir sind der Meinung, dass die Straßenbeiträge nicht nur eine finanzielle Belastung darstellen, sondern auch ein Hindernis für eine gerechte und solidarische Gemeinschaft. Die Straßenbeiträge spalten unsere Stadt und wirken wie eine zweite Grundsteuer B, die jedoch nur von denjenigen gezahlt wird, die im betroffenen Stadtteil wohnen. Wir wissen, dass alle Stadtteile irgendwann von Baumaßnahmen betroffen sein werden. In der Vergangenheit traf es jedoch nur Leeheim, als hätte es den Zusammenschluss im Jahr 1977 nie gegeben. Die Abschaffung der Straßenbeiträge stärkt daher auch den Zusammenhalt unserer Stadt.
Das Land lässt die Kommunen im Stich und trägt so nicht zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei, sondern fördert die Spaltung der Kommunen. Es ist schwer zu erklären, warum die Menschen in Mörfelden-Walldorf, Biebesheim und Gernsheim keine Straßenbeiträge zahlen müssen, während sie in unserer Stadt zur Kasse gebeten werden.
Wir sind der festen Überzeugung, dass eine SPD-geführte Landesregierung im nächsten Jahr diese Beiträge abschaffen wird und damit für mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt in unseren Kommunen sorgen wird. Mit der Aufhebung der Satzung werden künftig alle Straßenbau- und Unterhaltungsmaßnahmen aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren sein.
Wie Sie sehen, haben wir auch in diesem Antrag einen Kompromiss gefunden. Wir schaffen die Beiträge nicht rückwirkend ab, sondern berücksichtigen hier die finanziellen Auswirkungen. Wir geben dem Magistrat die Möglichkeit, diesen Fakt frühzeitig in die Planung für den Haushalt 2024 einzubeziehen. Für diese Kompromissbereitschaft möchte ich mich bei der BfR bedanken. Dies zeigt, dass wir gemeinsam an Lösungen arbeiten, die sowohl die finanziellen Belange als auch die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellen.
Derzeit haben wir eine nichtige Satzung. Die bisher versandten Beitragsbescheide sind rechtswidrig. Die Kläger haben bis heute keinen Cent Straßenbeiträge bezahlt und werden bis es eine neue Beitragssatzung gibt, auch keine bezahlen.
Wir fordern, dass alle Menschen gleichbehandelt werden – ohne Ausnahme. Ganz simpel. Derjenige, der gegen die damaligen Beitragsbescheide geklagt und bis heute keinen Cent bezahlt hat und dies auch in absehbarer Zukunft nicht tun wird, wenn es keine neue Beitragssatzung gibt, darf nicht besser gestellt sein als derjenige, der sich auf rechtmäßige Beitragsbescheide verlassen hat und bezahlt hat. Am Ende müssen beide Parteien gleich behandelt werden.
Vor allem möchten wir an alle Bürgerinnen und Bürger das Signal senden, dass sie in Zukunft nicht aus Prinzip gegen jeden Beitragsbescheid einen Widerspruch einlegen sollten. Mit diesem Schritt wollen wir verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen, indem wir Klarheit und Transparenz schaffen. Wir stellen sicher, dass Gerechtigkeit herrscht und die Interessen aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt werden.
Lassen sie uns heute Abend dieses Kapitel abschließen. Es gibt viele zukunftsweisende Themen, denen wir uns widmen müssen. Die Straßenbeiträge gehören nicht dazu. Danke sehr!
Bayram Özmen, Fraktionsvorsitzender der SPD